Bisexualität ist eine sexuelle Orientierung, bei der Menschen sowohl zu ihrem eigenen als auch zu anderen Geschlechtern hingezogen sind. Trotz der weit verbreiteten Anerkennung von LGBTQIA+ Rechten und der zunehmenden Sichtbarkeit von queeren Menschen, bleibt die Bisexualität oft unsichtbar. Dieses Phänomen, das als „Bisexual Erasure“ oder auf Deutsch „Unsichtbarmachung von Bisexualität“ bekannt ist, hat tiefgreifende Auswirkungen auf das Leben und das Wohlbefinden bisexueller Menschen. In diesem Artikel beleuchten wir die verschiedenen Facetten von Bisexual Erasure, unterstützen diese mit Zahlen und Fakten und bieten dir einen umfassenden Überblick darüber, warum es so wichtig ist, dieses Thema anzusprechen.
Was ist „Bisexual Erasure“?
Bisexual Erasure bezeichnet die Tendenz, Bisexualität zu ignorieren, zu leugnen oder zu marginalisieren. Dies geschieht auf vielfältige Weise und sowohl innerhalb als auch außerhalb der LGBTQIA+ Gemeinschaft. Es kann in Form von stereotypen Annahmen, Medienrepräsentationen, wissenschaftlichen Studien und sogar in politischen Debatten auftreten. Im Kern geht es bei Bisexual Erasure darum, bisexuelle Menschen unsichtbar zu machen oder ihre sexuelle Orientierung als „Phase“ oder „Verwirrung“ abzutun.
Historische Wurzeln und Entwicklung
Die Unsichtbarkeit von Bisexualität hat tiefe historische Wurzeln. In den frühen Tagen der sexuellen Befreiungsbewegungen wurden bisexuelle Menschen oft übersehen oder als Randerscheinungen betrachtet. Dies führte zu einer unzureichenden Anerkennung ihrer Existenz und Bedürfnisse. Ein bedeutendes Beispiel ist die Stonewall-Bewegung in den 1960er Jahren, die als Wendepunkt für die LGBTQIA+ Rechte gilt. Obwohl viele bisexuelle Menschen an diesen Protesten beteiligt waren, wurde ihre Rolle oft übersehen und ihre sexuelle Orientierung nicht anerkannt.
Bisexual Erasure in den Medien
Medien haben eine immense Macht, gesellschaftliche Normen zu formen und zu reflektieren. Leider haben sie oft dazu beigetragen, Bisexual Erasure zu verstärken. Bisexuelle Charaktere in Filmen und Serien werden häufig als promiskuitiv, verwirrt oder einfach als heterosexuell oder homosexuell dargestellt, je nach der aktuellen Handlung. Eine Studie aus dem Jahr 2019 ergab, dass nur 14% der LGBTQIA+ Charaktere in den populären Medien als bisexuell dargestellt werden, und selbst diese Darstellungen sind oft problematisch.
Gesellschaftliche Wahrnehmung und Stereotype
Ein großer Teil von Bisexual Erasure resultiert aus weit verbreiteten Stereotypen und Missverständnissen. Viele Menschen glauben, dass Bisexualität nur eine Phase ist, bevor sich jemand endgültig als heterosexuell oder homosexuell identifiziert. Andere sehen Bisexualität als eine Art „Experimentieren“ oder als Mittel, Aufmerksamkeit zu erlangen. Diese Stereotype führen dazu, dass bisexuelle Menschen oft nicht ernst genommen werden, was ihre Identität und ihre Beziehungen untergräbt.
Ein weiterer häufig anzutreffender Mythos ist, dass bisexuelle Menschen automatisch promiskuitiv sind. Dies ist nicht nur falsch, sondern auch schädlich, da es zu einem erhöhten Risiko von Diskriminierung und Stigmatisierung führen kann.
Wissenschaftliche Studien und Daten
Bisexual Erasure wird auch in wissenschaftlichen Studien deutlich. Viele Studien über sexuelle Orientierung konzentrieren sich ausschließlich auf heterosexuelle und homosexuelle Menschen, während bisexuelle Menschen entweder ausgeschlossen oder in einer der beiden Kategorien eingruppiert werden. Dies führt zu einem Mangel an spezifischen Daten über die Bedürfnisse und Herausforderungen bisexueller Menschen.
Eine Studie der American Psychological Association (APA) aus dem Jahr 2016 zeigte, dass bisexuelle Menschen im Vergleich zu heterosexuellen und homosexuellen Menschen ein höheres Risiko für psychische Gesundheitsprobleme haben. Dies wird unter anderem auf die Unsichtbarkeit und die damit verbundene Diskriminierung zurückgeführt. Die Daten zeigen, dass bisexuelle Menschen häufiger unter Angstzuständen, Depressionen und Suizidgedanken leiden als ihre heterosexuellen oder homosexuellen Gegenstücke.
Politische und rechtliche Aspekte
Auf politischer Ebene wird Bisexual Erasure oft durch den Mangel an spezifischer Anerkennung und Rechten für bisexuelle Menschen manifestiert. In vielen Ländern gibt es keine rechtlichen Schutzmaßnahmen, die spezifisch auf bisexuelle Menschen zugeschnitten sind. Dies bedeutet, dass sie oft in einer rechtlichen Grauzone leben, in der ihre Bedürfnisse nicht ausreichend berücksichtigt werden.
In den USA beispielsweise ist der „Equality Act“ ein wichtiger Schritt in Richtung Gleichberechtigung für LGBTQIA+ Menschen. Allerdings konzentriert sich dieser und ähnliche Gesetze oft auf die Rechte von homo- und heterosexuellen Menschen, ohne die spezifischen Herausforderungen von bisexuellen Menschen explizit anzusprechen.
Auswirkungen auf die Gesundheit
Die Unsichtbarkeit von Bisexualität hat erhebliche Auswirkungen auf die körperliche und geistige Gesundheit bisexueller Menschen. Aufgrund von Bisexual Erasure und den damit verbundenen Stigmatisierungen vermeiden viele bisexuelle Menschen, sich in ihrem Umfeld zu outen. Dies führt zu einem erhöhten Stressniveau, Isolation und einem geringeren Zugang zu Unterstützungssystemen.
Eine weitere Studie zeigte, dass bisexuelle Menschen seltener als homosexuelle Menschen Unterstützung innerhalb der LGBTQIA+ Gemeinschaft finden. Dies liegt teilweise daran, dass sie sowohl in heteronormativen als auch in homosexuellen Kreisen oft nicht vollständig akzeptiert werden.
Die Rolle von Allies und der LGBTQIA+ Gemeinschaft
Die Bekämpfung von Bisexual Erasure erfordert die Zusammenarbeit der gesamten LGBTQIA+ Gemeinschaft sowie von Allies (Verbündeten). Es ist wichtig, dass du als Ally bisexuelle Menschen anerkennst, ihre Erfahrungen ernst nimmst und ihnen eine Plattform bietest, um ihre Geschichten zu erzählen.
Ein Schritt in die richtige Richtung ist es, bisexuelle Charaktere in den Medien positiv und realistisch darzustellen. Darüber hinaus können Bildungsprogramme, die sich mit sexueller Vielfalt beschäftigen, dazu beitragen, das Bewusstsein für Bisexualität zu schärfen und Vorurteile abzubauen.
Aktivismus und Unterstützung für Bisexuelle
Bisexuelle Menschen haben in den letzten Jahren begonnen, sich stärker zu organisieren und für ihre Rechte einzutreten. Organisationen wie BiNet USA oder das Bisexual Resource Center bieten Unterstützung und Ressourcen für bisexuelle Menschen an und kämpfen gegen Bisexual Erasure.
Es gibt auch spezielle Pride-Events, die sich auf bisexuelle Sichtbarkeit konzentrieren, wie der „Celebrate Bisexuality Day„, der jedes Jahr am 23. September gefeiert wird. Solche Events sind wichtig, um bisexuelle Menschen zu feiern und das Bewusstsein für ihre Herausforderungen zu schärfen.
Persönliche Geschichten und Erfahrungen
Ein weiterer wichtiger Aspekt im Kampf gegen Bisexual Erasure ist das Erzählen von persönlichen Geschichten. Diese Geschichten helfen, die Vielfalt und Komplexität bisexueller Identitäten zu zeigen und Vorurteile abzubauen. Wenn du selbst bisexuell bist, kann es ein wichtiger Akt des Empowerments sein, deine Geschichte zu teilen, sei es in sozialen Medien, in einem Blog oder in persönlichen Gesprächen.
Fazit: Der Weg nach vorne
Die Unsichtbarkeit von Bisexualität ist ein ernstes Problem, das tief in gesellschaftlichen Strukturen und Normen verwurzelt ist. Es erfordert bewusste Anstrengungen von uns allen, um Bisexual Erasure entgegenzuwirken und bisexuelle Menschen zu unterstützen. Du kannst dazu beitragen, indem du dich informierst, Vorurteile hinterfragst und dich aktiv für die Sichtbarkeit und Rechte bisexueller Menschen einsetzt. Nur so kann eine wirklich inklusive und gerechte Gesellschaft entstehen, in der jeder Mensch unabhängig von seiner sexuellen Orientierung respektiert und akzeptiert wird.
Bisexualität ist real, valid und verdient es, genauso sichtbar und anerkannt zu sein wie jede andere sexuelle Orientierung. Indem du dich mit dem Thema auseinandersetzt und andere dazu ermutigst, dasselbe zu tun, leistest du einen wertvollen Beitrag zu einer gerechteren Welt.