Störmomente in Kunst, Medien und Wissenschaft
Das Buch „Queerulieren: Störmomente in Kunst, Medien und Wissenschaft“ setzt sich kritisch mit den Konzepten von Normativität, Binarität und neoliberalen Strukturen auseinander. Die Herausgeber Oliver Klaassen und Andrea Seier versammeln in diesem Band eine Vielzahl an Beiträgen von verschiedenen Autor*innen, die sich mit der Frage beschäftigen, wie queere Theorien und Praxen eingesetzt werden können, um bestehende Machtstrukturen zu dekonstruieren und neue, emanzipatorische Perspektiven zu eröffnen.
Im Mittelpunkt des Sammelbandes steht der Begriff „Queerulieren“, der sich von dem Begriff des Querulierens ableitet. Während ein Querulant traditionell als jemand gilt, der sich hartnäckig beschwert und um seine Rechte kämpft, wird dieser Begriff in diesem Buch umgedeutet. Queerulieren steht hier für ein subversives Stören von Normen, ein kritisches Hinterfragen von bestehenden Machtverhältnissen und eine Absage an binäre und neoliberale Denkweisen. Dabei wird das Queerulieren als eine produktive Praxis dargestellt, die Transformationen anstößt und alternative Denkräume eröffnet.
Ein zentrales Thema des Buches ist die Auseinandersetzung mit den aktuellen politischen und sozialen Entwicklungen, insbesondere dem wachsenden Anti-Gender-Diskurs und den damit verbundenen Bewegungen, wie zum Beispiel den Querdenkern, die während der COVID-19-Pandemie in Erscheinung traten. Diese Bewegungen haben sich vieler Begriffe und Theorien sozialer Bewegungen angeeignet und in ihrem Sinne umgedeutet. Die Autor*innen des Bandes plädieren dafür, das Queerulieren als machtkritisches Werkzeug zu nutzen, um diese Tendenzen zu entlarven und emanzipatorische Gegenstrategien zu entwickeln.
In den Beiträgen des Sammelbandes wird das Queerulieren in verschiedenen Kontexten und Disziplinen erforscht. Es wird gezeigt, wie Künstler*innen wie Cindy Sherman, Hannah Höch, Genpei Akasegawa und Maria Eichhorn in ihrer Arbeit normative Strukturen hinterfragen und destabilisieren. Auch werden politische, karnevaleske Räume und die indigenen Kulturen Nordamerikas in die Analyse einbezogen, um zu verdeutlichen, wie Queerulieren in unterschiedlichen kulturellen und gesellschaftlichen Kontexten zum Ausdruck kommt.
Die Beiträge sind interdisziplinär und vielfältig in ihren Formen. Neben wissenschaftlichen Artikeln und Essays finden sich auch experimentelle Texte, Duette, Projektdokumentationen, Text-Bild-Collagen, Gedichte, ein Zine und ein partizipatives Kunstprojekt. Diese Vielfalt verdeutlicht, dass das Queerulieren nicht nur eine theoretische Praxis ist, sondern auch eine kreative und künstlerische Dimension hat. Es geht nicht nur um das Hinterfragen von Strukturen, sondern auch um das Schaffen von neuen, offenen Räumen für kreative und kritische Auseinandersetzungen.
Ein wichtiger Aspekt des Queerulierens ist die Freude am „Spaß-Verderben“. Dies wird im Buch als eine emanzipatorische Praxis verstanden, die bestehende Hierarchien und Machtverhältnisse nicht einfach akzeptiert, sondern durch ihr hartnäckiges Hinterfragen und Stören dazu beiträgt, diese zu destabilisieren. Die Autor*innen betonen, dass es beim Queerulieren nicht nur um das Zerstören von alten Strukturen geht, sondern auch um das Aufzeigen von Alternativen und das Anstoßen von Transformationsprozessen.
Zusammenfassend ist „Queerulieren: Störmomente in Kunst, Medien und Wissenschaft“ ein inspirierendes Buch für alle, die sich für queere Theorien, feministische Ansätze und machtkritische Analysen interessieren. Es zeigt auf, wie Kunst, Medien und Wissenschaft als Räume genutzt werden können, um normative Strukturen zu hinterfragen und emanzipatorische Veränderungsprozesse in Gang zu setzen.