Das Buch Pride (Übermorgen) von Michael Hunklinger, einem Experten für Queer Politics, greift aktuelle Debatten rund um LGBTQ+-Themen auf und räumt wissenschaftlich fundiert mit zahlreichen Vorurteilen auf. Es beleuchtet die gesellschaftlichen Herausforderungen, mit denen queere Menschen heute konfrontiert sind, und zeigt, wie sehr diese Themen polarisieren. Obwohl LGBTQ+-Personen in vielen westlichen Ländern nie mehr Rechte hatten als heute, erleben wir gleichzeitig einen besorgniserregenden Anstieg der Queerfeindlichkeit, insbesondere vonseiten konservativer und rechter Bewegungen. Warum ist das so? Was ist die Ursache dieser Diskrepanz zwischen dem erreichten Fortschritt und der immer lauter werdenden Ablehnung?
Hunklinger analysiert, warum die hart erkämpften Rechte von LGBTQ+-Personen heute wieder verstärkt infrage gestellt werden. Er erklärt, dass Fortschritte in der rechtlichen Gleichstellung oft eine Gegenbewegung auslösen, die sich nicht selten in Form von Hass und Gewalt äußert. Dies zeigt sich nicht nur an Beispielen wie der Zensur von Schulbüchern oder dem Verbot von Büchern über sexuelle Orientierung in manchen Ländern, sondern auch an staatlichen Maßnahmen wie dem „Don’t Say Gay“-Gesetz in Florida oder der Queerfeindlichkeit in Ungarn. Diese staatlichen Initiativen dienen oft als Radikalisierungsfaktor und verstärken die Polarisierung in der Gesellschaft.
Eine zentrale These des Buches lautet, dass die gesellschaftliche Individualisierung und die Fragmentierung der queeren Gemeinschaft selbst zu dieser Polarisierung beitragen. Die queere Community ist heute vielfältiger und weniger homogen als früher. Diese Diversität ist auf der einen Seite eine große Stärke, da sie zuvor marginalisierten Gruppen mehr Raum und Bedeutung gibt. Auf der anderen Seite fehlt oft der innere Zusammenhalt, was es für Gegner*innen queerer Rechte leichter macht, die Community als uneinheitlich und damit als schwächer darzustellen. Innerhalb der queeren Gemeinschaft gibt es zudem oft Unverständnis und Ablehnung gegenüber verschiedenen Identitäten, was Hunklinger an konkreten Beispielen aufzeigt.
Doch was bedeutet das für die Zukunft der queeren Bewegung? Hunklinger betont, dass Solidarität untereinander wichtiger denn je ist. Er ruft dazu auf, Diversität als Stärke zu begreifen und diese Vielfalt als Grundlage für mehr Gleichberechtigung und Emanzipation zu nutzen. Die Frage bleibt jedoch, wie realistisch diese Forderung ist und wie sie in die Praxis umgesetzt werden kann. Pride zeigt, dass es notwendig ist, gegen die zunehmende Queerfeindlichkeit anzukämpfen und die hart erkämpften Rechte zu verteidigen.
Obwohl das Buch wissenschaftlich fundierte Analysen liefert und auf Theoretiker wie Michel Foucault und Didier Eribon Bezug nimmt, ist es dennoch zugänglich und verständlich geschrieben. Es richtet sich an ein breites Publikum, das mehr über die Grundlagen von sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität und die Geschichte der Kriminalisierung queerer Menschen erfahren möchte. Besonders wertvoll ist das Buch für diejenigen, die sich auf Debatten über LGBTQ+-Themen vorbereiten wollen, da es praktische Argumentationshilfen bietet und auf häufige Fragen überzeugende Antworten gibt.
Mit seinen klaren Erklärungen und dem gesellschaftskritischen Blick ist Pride ein wichtiges Werk, das deutlich macht, warum der Einsatz für queere Rechte kein reiner Minderheitenschutz ist, sondern ein zentraler Bestandteil der Gleichberechtigung aller Menschen. Gleichzeitig zeigt es auf, dass die Verteidigung dieser Rechte in einer Zeit des gesellschaftlichen Fortschritts und des gleichzeitigen Rückschritts unerlässlich ist.